Am letzten Tag der Projekttage zum Thema Nationalsozialismus an der Bischöflichen Realschule stellten die einzelnen Gruppen in einem Museumsgang ihre Ergebnisse vor.
Um Warendorfer Stolpersteine ging es im Projekt von Dorothee Renger. Europaweit gibt es mittlerweile 61.000 Stolpersteine, die als Pflastersteine an die Opfer der Nationalsozialisten erinnern. „Wir haben uns gefragt, welche persönlichen Schicksale sich hinter den gut 40 Stolpersteinen in Warendorf verbergen“, berichtet Renger. Mit Begleitung des Münsteraner Historikers Matthias Esther besuchte die Gruppe die ehemaligen Wohnhäuser der Familien. Hier und am neuen jüdischen Friedhof erfuhren die Zehntklässler etwas über das Schicksal der Verfolgten, nachdem sie Warendorf verlassen mussten.
Über den deutschen Widerstand in der NS-Zeit recherchierte die Gruppe von Pia Niemeyer. Dabei wurde klar, welche Bandbreite Widerstand hatte: „Das reichte vom Grüßen jüdischer Nachbarn bis zu den großen konzertierten Aktionen der Gruppe um Graf von Stauffenberg“, erklärt Niemeyer. Nicht immer seien dabei Widerstandskämpfer wie heute offiziell gewürdigt worden: „Viele mussten sich vor allem damals als vermeintliche Vaterlandsverräter beschimpfen lassen.“
Um die sogenannte Wunderwaffe V2 und deren Entwicklung ging es im Projekt von Stefan Jaunich: „In dem Fischerort Peenemünde auf Usedom wurde während der Nazizeit eine riesige Forschungs- und Entwicklungsanlage aus dem Boden gestampft“, erläutert Jaunich, „diese gern als Wunderwaffen bezeichneten Raketen sollten den von Hitler so benannten Endsieg herbeiführen.“ Die Gruppe recherchierte, dass die Forscher um Wernher von Braun nach dem Ende des Krieges von den Siegermächten weiterbeschäftigt wurden und maßgeblich an der Entwicklung der Raumfahrt, aber auch von Atomraketen beteiligt waren.
Eine Sondersendung des „Neo Magazin Royale“ vom Ende des letzten Jahres war Thema der Projektgruppe von Dr. Gudrun Großkopff. „In der Sendung beschäftigt sich Jan Böhmermann satirisch mit der deutschen Erinnerungskultur“, erläutert Großkopff, „Böhmermann stellt die Frage: Wenn alle tot sind, die damals live dabei waren, wer ist dann heute und in Zukunft dafür zuständig, wie man sich erinnert?“ Die Antwort des Satirikers ist ein Unternehmen Reichspark, eine Art Freizeit- und Erlebnispark, in dem morgens für Kinder Bücher verbrannt werden und man mittags bei 20 Grad minus die Schlacht von Stalingrad miterleben kann.
„Wir haben das ganze Konzept, das als aufwendig gemachte Videopräsentation existiert, analysiert“, berichtet Großkopff, „es war hochinteressant zu klären, was man moralisch darf und was die Unterschiede von realen Gedenkstätten und diesem fiktivem Erlebnispark sind.“
Mit lokalem Bezug arbeitete die Gruppe von Beatrix Fahlbusch. In ihrem Projekt ging es um das Schicksal jüdischer Familien in Warendorf. So bearbeitete die Gruppe Spuren jüdischer Familien in Warendorf und die zunehmende Entrechtung der Juden von 1933 bis 1938, die in die Reichspogromnacht 1938 mündeten. Auch die Deportation Warendorfer Juden im Dezember 1941 thematisierte die Gruppe. Fahlbusch ist es wichtig zu zeigen, dass Antisemitismus und Judenverfolgung nicht irgendwo in Deutschland passierten, sondern auch ganz konkret hier in Warendorf. Marie Brinkmann aus der Klasse 10a resümiert nach den Projekttagen: „So macht Geschichte Spaß, so versteht man alles viel besser. Wenn man erst mal eingestiegen ist, lässt es einen gar nicht mehr los!“
Projekttage zum Thema Nationalsozialismus – Für die jeweiligen Zehntklässler der Bischöflichen Realschule ein fester Programmpunkt am Ende des ersten Schulhalbjahres. „85 Jahre nach der Machtübernahme Hitlers und genau 73 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz ist das Thema so brisant wie eh und je“, meint Geschichtslehrer Stefan Jaunich, der die Projekttage mit seinen Fachkollegen organisiert hat.
Alle Zehntklässler besuchten im Rahmen der Projekttage die Gedenkstätte Wewelsburg bei Paderborn. Zwischen 1934 und 1945 war die Wewelsburg eine Schulungsstätte für SS-Führer und bietet heute gut aufbereitetes Material für die Recherche an historischem Ort. In der Gedenkstätte Wewelsburg erfuhren die Besucher aus Warendorf anschaulich, wie katastrophal und erniedrigend die Situation der im KZ Inhaftierten war. Aufgeteilt in Projektgruppen durchliefen die 87 Zehntklässler Stationen wie „Geschichte, Ideologie und Organisation der SS“ oder „Lebensgeschichte eines ehemaligen Häftlings aus der Ukraine“. Obligatorisch für alle Gruppen der Rundgang durch die Wewelsburg mit der Gruft und dem „Obergruppenführersaal“. „Den Abschluss des Tages bildete die Besichtigung des Areals des ehemaligen KZ Niederhagen“, berichtet Geschichtslehrerin Beatrix Fahlbusch, „heute ist allerdings nur noch der Appellplatz durch eine freie Rasenfläche und einen Gedenkstein erkennbar; ansonsten ist es heute ein Wohngebiet.“ Resümee am Ende von den Besuchern aus Warendorf: „Ein Tag ist viel zu wenig, um alles zu sehen, was dort interessant ist.“ Für Jaunich ist besonders die Vermittlung der unterschiedlichen Perspektiven von Tätern und Opfern gut gelungen. Und er ergänzt abschließend: „Selbst das aktuelle Phänomen der Neonazis wird durch die Ausstellung verständlicher.“